Dienstag, 17. Februar 2015

Fifty shades of victimization

Gestern hatte ich über die Kritik an 50 Shades of Grey berichtet. Ich habe das Buch nicht gelesen, den Film nicht gesehen, kann mich also nur an den Berichten anderer orientieren.

Nachdem ich Frank Cebulla's Blogeintrag "Fifty Shades of Boredom" gelesen hatte, glaubte ich im Bilde zu sein. Ich verspürte kein Bedürfnis mich unter einem Publikum zu mischen, von dem Folgendes von dem z. Zt. herrschenden Zeitgeist, dem Feminismus, erwartet wird:
Macht dir einer ein Kom­pli­ment oder guckt dir zu tief ins Dekol­leté, dann starte einen #Auf­schrei. Hält dir einer unge­fragt die Tür auf oder will dir hel­fen, etwas Schwe­res zu tra­gen, lass ihn abblit­zen, denn du bist stark genug, das allein zu tun. Läufst du auf­ge­don­nert und im kur­zen Röck­chen durch die Stadt und Kerle bag­gern dich an, stell das sofort als ankla­gen­des Video auf Youtube. Kommt dir der One­Night­Stand aus der letz­ten Nacht irgend­wie komisch vor oder kannst du dich nicht mehr daran erin­nern, was pas­siert ist, weil zu viel Alko­hol im Spiel war — warte ein paar Wochen und dann zeig den Typ wegen Ver­ge­wal­ti­gung an.

Es ist tatsächlich das Paradox eines jeden -ismus, dass die Verbote, die es aufstellt, den Drang der Menschen nach dem Verbotenen nur verstärkt, siehe z. B. Puritanismus und die Prohibition. So auch die magische Anziehungskraft des Verruchten in "Fifty Shades of Grey" auf das weibliche Publikum:

Ist es nicht unglaub­lich inter­es­sant und absurd zugleich, dass eine hass­er­füllte reine "Lehre der Frau­en­be­frei­ung" medi­en­wirk­sam einen Feld­zug nach dem ande­ren gegen die „Objek­ti­vie­rung des weib­li­chen Kör­pers” führt und selbst Wer­be­pla­kate mit zu viel nack­ter Haut wegen Sexis­mus ver­bie­ten will, wäh­rend gleich­zei­tig Mil­lio­nen Frauen in die Kinos ren­nen, um sich nur allzu gern — und sei es nur in der Fan­ta­sie — als wil­li­ges Sex­ob­jekt zu füh­len?
Die Frage, warum diese Geschichte eine besondere Anziehungskraft auf das weibliche Publikum bewirkt, lässt tief blicken. Freud hätte seine Freud daran gehabt.

Lisa Ludwig erzählt uns die wahre Geschichte hinter der männlichen Hauptfigur:
von seinem 15. bis zu seinem 21. Lebensjahr wurde er von einer Freundin seiner Mutter als Sexsklave benutzt.
Da steht ein Mann, der missbraucht wurde, und glaubt, dass es OK ist. Weil diese Frau ihm erfolgreich eingeredet hat, dass sie die Einzige ist, die ihn versteht. Weil er immer noch Kontakt mit ihr hat. Vielleicht auch, weil es einen grundlegenden Unterschied darin gibt, wie man mit der Vergewaltigung an einem pubertierenden Mädchen und mit der an einem pubertierenden Jungen in der Gesellschaft umgeht. Und alles, was der Film uns sagt, ist: Alles in Ordnung.
Mehr noch:
Statt [die Geschichte eines Mannes, dessen Leben von Missbrauch, zwischenmenschlicher Kälte und der Angst, wieder verlassen zu werden, geprägt ist und bei dem sich diese Ambivalenz in sexuell eher ungewöhnlichem Verhalten manifestiert] zu zeigen oder konkret zu thematisieren, wird Mr. Grey zum ultimativen Sexgott stilisiert.
Der Missbrauch eines Jungen durch eine Frau wird also zum gesellschaftlichen Zeitgeist hochstilisiert: Seht her, der Junge wird durch eine Frau zum Sexgott gemacht!

Was kann denn einem Jungen Besseres passieren, als rechtzeitig die Sexschule einer erfahrenen und reifen Dame zu absolvieren, nicht wahr? Die Millionen Leserinnen und Zuschauerinnen geben dem Zeitgeist recht: Das ist in, das erwartet die Frauenwelt von einem Mann, der Mann sollte dankbar für diese "Anerkennung" sein. Davon kann ein Jörg Rupp nur träumen.

Mann sollte sich das bewusst vor Augen führen: Der Junge, der missbraucht wurde, kann sich aus den Fesseln des Missbrauchs nicht mehr befreien. Seine Sucht nach Sex ist vergleichbar mit der Drogensucht eines Junkie: Man dröhnt sich den Stoff immer öfter und in immer größeren Dosen um die innere Leere zu stopfen, oder?

Der doppelte Missbrauch

Der männliche Hauptdarsteller wird also zum zweiten Mal missbraucht: Als Junge von der Freundin der Mutter und nun vom weiblichen Publikum.
Ich fand es zuvor immer ein bisschen albern, wenn ich von Seiten meiner Familie oder aus dem Freundeskreis gehört habe, dass man ja selbst gerne so einen Christian Grey hätte, der erotisch und aufregend ist und einen jeden Tag mit einem neuen, teuren Geschenk überrascht. Nachdem ich mir Fifty Shades of Grey angeschaut habe, überwiegt allerdings die Fassungslosigkeit. Über die Art und Weise, mit welcher Nonchalance die Autorin sexuellen Missbrauch an Minderjährigen mit halbgaren Sadomaso-Fantasien vermengt—und wie kritiklos und unreflektiert die Filmemacher diesen moralischen und literarischen Schmutz auch noch übernehmen.

Der dreifache Missbrauch: Der böse Mann

Die Niedertracht der Ergötzung an einem eigentlich traumatisierten Menschen kann allerdings noch gesteigert werden.

Denn nun greift ein beliebter feministischer Mechanismus: Aus einem Opfer sollst Du einen Täter machen!


Wie war das noch?
Gewalt verletzt und zerstört das Selbstwertgefühl, die sozialen Beziehungen sowie die Lebens- und Arbeitsperspektiven der Betroffenen.
Ach, entschuldigung, das gilt nur für Frauen! Männer leiden am Stereotyp des Starken, daher ist ein wütender, gewalttätiger Mann für sein Trauma selbst schuld.

Auswirkungen von Gewalt  (Seite 19, ff.)

Mittel- und langfristig: z. B. Gewaltverhalten, erhöhte Aggressivität
Langzeitfolgen und dauerhafte Schädigung
  • schwere psychosomatische Leiden
  • Zerstörung des positiven Lebensgefühls
  • Verachtung des eigenen Geschlechts
  • Selbstverachtung
  • Ablehnung sozialer Beziehungen
  • Bindungsangst
  • Wiederholung erlebter Beziehungsmuster
  • Rechtfertigung und Leugnung des Geschehens
  • Suizid  
häufiger bei Jungen
  • Akzeptanz von Gewalt
  • Dominanzverhalten
  • Abwertung von und Verächtlichkeit gegenüber Mädchen und Frauen
  • sexuelle Übergriffe (verbal und tätlich)
  • erhöhte Aggressivität
  • Gewaltverhalten und Bedrohungsrituale
Merkt Ihr was? Die #50DollarsNot50Shades-Aktivistinnen beschreiben gerade einen Mann, der an den Spät- und Langzeitfolgen von Gewalt leidet.

Und rufen zu dessen Ächtung auf! Wie empathisch diese Damen sind!

Die Frau, das ewige Opfer ihrer Sehnsüchte?

Die besondere Hervorhebung der weiblichen Opferrolle kann dabei nicht fehlen. Nach all den schlimmen Charakterzügen des in seiner Jugend traumatisierten Menschen - ja, ein Mann ist ein Mensch, sollte irgend ein Leser dieser Zeilen das vergessen haben - da kann bei einer Feministin niemals die Aufzählung aller weiblichen Unterdrückungstatbestände fehlen, für die eine weibliche Massenwanderung in den Kinosälen stattfindet:
Nach diesem, dem viktorianischen Zeitgeist entnommenen, Tränendrüsentrick belehrt uns die moderne Heilsarmee, was wir machen sollen, um die Welt zu retten:
Ja, liebes Schäflein, wenn Du je Deine Sünden reinwaschen möchtest, kaufe bei uns einen Ablassschein! Zahle am nächstbesten Tempel der modernen Vestalen, dem Frauenhaus, einen Fuffziger!

Hallo!

Könnt Ihr Euch noch erinnern? Die männliche Hauptfigur ist ein Mensch, dessen Psyche durch den Egoismus einer erwachsenen Frau zerstört wurde. Seine Suche nach Liebe, nach menschlicher Wärme ist zum Scheitern verurteilt, denn er bekommt ja keine Hilfe, sondern die Droge für die er abgerichtet wurde: Sex!

Ich weiss nicht, ob ich es geschafft habe, den dreifachen Missbrauch dieses Menschen, dem Leser klar vor Augen zu führen (Es fehlt mir leider an der entsprechenden Ausbildung - bin weder Psychloge noch Psychiater - und auch literarisch bin ich nicht auf der von mir gewünschten Höhe):

Die schlimmste - und dritte - Misshandlung dieses Menschen ist seine Darstellung durch den feministischen Mob als Täter.

Als Opfer hatte er nie die Chance einer Hilfseinrichtung. Während für Frauen ein dichtes Netz an Hilfseinrichtungen vorhanden ist, bleiben dem Mann nur der Platz unter die Brücke oder der Treff an der Tankstelle.

Wen wundert das?

Im I. Weltkrieg wurden die Kriegszitterer mit Elektroschocks behandelt, da man von "besonders raffinierten Drückeberger" ausging. Große Teile der weiblichen Bevölkerung hatten dem Mann gegenüber die gleiche Erwartungshaltung, wie heute das weibliche Publikum dem Herrn Grey gegenüber: Mann erwartet vom Mann, dass er in seinem goldenen Käfig Höchstleistung erbringt. Früher hatten die Damen durch Beschämung den Mann dazu bewogen sein teuerstes Gut zum Einsatz zu bringen - sein Leben - indem man sie mit dem "Orden der weissen Feder" mit Häme überzog, wenn er - laut weiblichem, "patriotischem" Mob - nicht genug für diese Damen tat: Verrecken!

Im Altertum ergötzte man sich an Gladiatorenkämpfe. So weit mir bekannt, waren es nur Männer. Als Zuschauer geilten sich genau so viele Frauen auf den Rängen am Tod und Leid dieser Männer, wie heute angeblich an häuslicher Gewalt leiden. Die zu Höchstleistungen gepeitschten Sieger sollen ein sehr hohes Ansehen in aristokratischen, weiblichen Kreisen gehabt haben.

Im Mittelalter gab es die Ritterspiele. Auch hierbei ging es darum, der Angebetenen zu imponieren. Auch da ergötzte sich die weibliche Zuschauerschar am Leid und Tod von Männer.

Nicht anders ging es scheinbar auch in anderen Kulturen. Inkas, Mayas und Azteken gingen auch brutal miteinander um. Die Asiaten waren auch nicht zimperlicher.

Ist das menschlich? Sich am Leid anderer zu ergötzen? Oder etwa weiblich?

Soll ich jetzt doch noch ins Kino gehen? Ich weiss nicht, ob ich mir die geilen Blicke der Zuschauer antun möchte, die sich an der "posttraumatischen Belastungsstörung" (bitte mit korrekter Diagnose ersetzen) ergötzen. So masochistisch bin ich doch nicht veranlagt.

Ällabätsch! Das Geld werde ich einer Väterorganisation spenden!